Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (2024)

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Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen. Moderne englische Malerei Wiederkehr der deutschen Kunst Von der Formlosigkeit zur Form Eine Weltschau bildender Kunst „Mein Geist ist christlich“ Heute und vor 100 Jahren Biennale, Venedig 1952 Hieronymus Bosch und die Festwochen Weltschau der Kunst in Venedig Spiegel des Geistes Die Welt Boeckls und die Welt Altamerikas Ein Kampf, die Welt zu bewältigen Innsbruck: Philadelphia zu Gast Der Kunstkritiker: Kleine Kunstgeschichte unseres Jahrhunderts Die Avantgardisten sind müde Neue Malerei in Österreich POLENS KUNST FÄHRT WESTWÄRTS DAS LAND DES „ZU FRÜH“ UND „SEHR SPÄT“ Empfang bei der Kaiserin T’seu=Hi Kunst, von der Dampfwalze überfahren Die Wandlung des Nicolas de Stael Malende Dichter — dichtende Maler BLAU-ROT-GELB Kokoschka und die Malerei DIE ABSTRAKTEN WERDEN MÜDE VON 1900 BIS 1960 Constant Permeke PAUL GAUGUIN Wilhelm Thöny in der Galerie Welz DER BLAUE REITER Die Sammlung Henie-Onstad Osterreich und die Moderne EIN ERINNERUNGSBLATT Sie malen „phantastisch.. DIE BLAUE BLUME BLÜHT WEITER DER STILLEBENZAUBERER DER MALER HERBERT BOECKL DER PLASTIKER ALFRED HRDLICKA BOECKLS GRAPHISCHES WERK IM GEIST DER BAUHÜTTE ANATOMIE EINER AKADEMIE Austellungen in Salzburg FALLEN DIE MEISTER VOM HIMMEL? DIE ENGE UND DIE WEITE Innsbrucker Ausstellungen WEG VOM BAROCKEN PATHOS MONSTREN, DÄMONEN, COMICS DIE ARCHITEKTUR DES MALERS ÖFFNUNG NACH SÜDEN UND OSTEN Absolon, Grund und Gotik DIE VIERTE DIMENSION Johannes Itten STERBEN ABER HEISST LEBEN Von Peru bis Spanien WANDLUNGEN—VERWANDLUNGEN VERNISSAGE MIT POLIZEIAUFGEBOT Tempi passati Angebot an Wirklichkeit Die Welt als Stimulans Rainer, Bottoli, Eisler Weltelite, Mittelmaß, Entdeckung Filme uber Kunst und Kunstler Von Pop bis Primitiv Die Linie ist seine Sprache Grosz, der Anti-Militarist Jubilare und ein Junger Wie Gestalt sich wandelt Wie man Ideen ausstellt Vom alten Dada zur „Wahnkunst“ Der Weg in die Verbannung Zeichen des Glaubens -Geist der Avantgarde Jesus als Bruder: Scandalon der Kunst Kosmische Kalligraphie Wie der Nachzügler die Führung übernahm Vielfalt der Aufbrüche nach der großen Flut Ein gewaltiges Feuerwerk gestalterischer Vielfalt Auf der Suche nach Regelmäßigkeiten Der richtige Spürsinn für atypische Meisterwerke Ein Säkulum an vielfältiger Kreativität Das Chaos der Seele auf der Leinwand Die Dialektik von Vernunft und Wahnsinn Aktuelle Ausstellungen: Wiener Grenzüberschreitungen Kunst "spricht". Was hat sie zu sagen? Avantgarde international Farben wie Musik Metropole der Kunst Die Welt neu erfinden Die Kunst und ich Farb-Akkorde Menschenbilder Promis im Museum Das Konzept ist die Kunst! Kunst-Investition Informel innovativ Gute Jahrgänge Das Atmen der Farben Die Auflösung der natürlichen Formen Kein Stil, kein System, keine Richtung Schwimmer gegen den Strom – Hockney im Kunstforum Gegen die Moden ihrer Zeit: Alex Katz und Pablo Picasso References
Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (1)

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Ausstellung

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Wie Robert Motherwell zu einem der großen abstrakten Expressionisten wurde, zeigt das Kunstforum Wien in der Ausstellung „Pure Painting“.

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Wie Robert Motherwell zu einem der großen abstrakten Expressionisten wurde, zeigt das Kunstforum Wien in der Ausstellung „Pure Painting“.

Theresa Steininger

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Es begann mit einer zufälligen Beobachtung: In Robert Motherwells Atelier stand ein kleineres Bild gegen ein größeres gelehnt, der Künstler zog die Umrisse nach, drehte das stilisierte U, das entstand, um – und aus der angedeuteten Tür wurde ein Fenster und der Grundstein für die „Opens“, für die Motherwell berühmt wurde. Der US-amerikanische Künstler variierte diesen Dialog von Grund und Rechteck in mehr als200 Arbeiten. Wenn im Kunst­forum Wien nun eine Retrospektive zu dem Werk jenes Malers gezeigt wird, der als einer der großen abstrakten Expressionisten gilt, sind einige dieser Bilder darunter.

Generell zeigt der Rundgang, in dem rund 40 Arbeiten ausgestellt sind, wie der US-Amerikaner große Gesten auf große Leinwände bannte, diese immer wieder überarbeitete und so ein ikonisches Œuvre schuf, das ihn in den USA berühmt machte. Dass er hierzulande weniger bekannt ist, möchte das Kunstforum Wien mit der Ausstellung „Pure Painting“ ändern, die in Kooperation mit dem Modern Art Museum of Fort Worth in Texas organisiert wurde und Leihgaben unter anderem aus dem Guggenheim Museum, dem MoMA in New York, dem Museo Reina Sofia in Madrid und eine aus dem mumok in Wien ­beinhaltet.

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1946

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (2)

Moderne englische Malerei

Der Einfluß französischer Malerei auf alle Schulen europäischer Kunst ist unleugbar. England macht keine Ausnahme von dieser Regel, jedoch stellte der französische Impressionismus in England weniger eine Neuerung als die Entwicklung von Tendenzen dar, die der englischen Malerei schon innewohnten. Die Liebe zur Landschaft und die Bevorzugung ihrer natürlichsten und wenigst theatralischen Seiten war ein charakteristischer Zug der Norwich-Sditile und Con-stables, während der erste Versuch, Lichteffekte durch lebhafte Töne und Malen mit reinen prismatischen Farben zu erreichen, von Turner

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (3)

Wiederkehr der deutschen Kunst

Schon vor Monaten wurde in den westlichen Zonen Deutschlands mit der Räumung der Kunstdepots begonnen; es darf festgestellt werden, daß Deutschlands reicher musealer Kunstbesitz dank rechtzeitiger Bergung fast zur Gänze erhalten blieb und die jahrelange Verbannung gut überstanden hat. Die Rückführung und Freigabe durch die Besatzungsbehörden öffnet allmählich wieder Museumspforten, die der Krieg geschlossen. Wenn nun, in fast allen größeren Städten — nur Berlin bildet immer noch infolge seiner gewaltigen Bauschäden eine Ausnahme — die heimgekehrten Kunstwerke aus ihrem

1948

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (4)

Von der Formlosigkeit zur Form

Die Malerei hat im Laufe des letzten .halben Jahrhunderts einen äußeren Verarmungsprozeß durchgemacht. Mehr und mehr hat sie abgebaut, was noch den Impressionisten, als den letzten Ausläufern der „klassischen” Malerei, für die Bewertung eines Kunstwerkes entscheidend erschien. Wie jeder durchgreifende Umwandlungsprozeß ging auch dieser nicht ohne Kämpfe, Zerstörungen und krankhafte Entwöhnungserscheinungen vor sich. Die Leidensstationen dieses Weges tragen die Namen der zahlreichen „Ismen”: Expressionismus, Kubismus, Funktionalismus, Konstruktivismus und wie sie alle heißen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (5)

Eine Weltschau bildender Kunst

Venedig, Anfang OktoberIm ersten Saal des großen Zentralpalasts, der die Schau der italienischen Kunst birgt, steht, schon vom Eingang des Ausstellungsgeländes aus sichtbar, eine eindrucksvolle Bronzegruppe des im Vorjahr verstorbenen Bildhauers Arturo Martini: „Der verlorene Sohn." Vater und Sohn im Augenblick der Umarmung, das Staunen und die Freude des Wiedersehens, des Sich-im-andern selbst-Erkennens auf den einander so ähnlichen Gesichtern.Ist das nicht die eindringliche Lehre dieser überwältigenden Kunstschau, die zu einer großen Übersicht über die gesamte Entwicklung der

1949

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (6)

„Mein Geist ist christlich“

Henri Matisse, der große französische Maler, hat in diesem Jahre eine weltweite Würdigung erfahren. In einem palmenumwehten Rivieranest zurückgezogen lebend, wurde er 80 Jahre alt. In Paris wurde eine Schau seiner jüngsten Schöpfungen zum Ereignis der Saison, in New York bestätigte eine vielbesuchte und diskutierte Ausstellung seinen Ruf als berühmtester Maler Europas — nächst Picasso, wie die amerikanische Presse meint —, und auch in Luzern wurden Werke aus allen Schaffensperioden des Meisters gezeigt.Wenn der „Verlust der Mitte“ in der modernen Kunst wohl einerseits als

1950

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (7)

Heute und vor 100 Jahren

Fritz W o t r u b a, Österreichs bekanntester und möglicherweise auch bester Bildhauer, Staatspreisträger und Akademieprofessor, zeigt jetzt in der Buchhandlung Kosmos (Wollzeile) eine Anzahl von Zeichnungen und Kleinbronzen. Es sind das merkwürdige, ziemlich abstrakte und dem Wiener Publikum jedenfalls ungewohnte Dinge. Aber ein „klares“ Nein ist diesen Figuren gegenüber jedenfalls nicht am Platze: es wäre aus jenem Unverstand heraus gesprochen, der Ungewohntes nach dem ersten Blick ablehnt. Auch wäre es besser, angesichts der Kleinbronzen Wotrubas nicht jene schon etwas

1952

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (8)

Biennale, Venedig 1952

Die diesjährige Kunstbiennale in Venedig, zweifellos die schwächste seit dem Kriege, bietet dem Laien ein so verwirrendes Bild und hat auch für den Fachmann einen so zwiespältigen Charakter, daß Zweifel prinzipieller Natur an einer solchen Monsterausstellung moderner Kunst auftauchen müssen. Hat zum Beispiel Italien, das seinen Pavillon naturgemäß am stärksten beschickt hat, wirklich keinen einzigen Maler von einigem Rang? Und was soll man ernsthaft zu dem sagen, was der schöne neugebaute Schweizer Pavillon enthält oder besser nicht enthält? Inmitten dieser durch kritiklose Auswahl

1954

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (9)

Hieronymus Bosch und die Festwochen

Wiener Festwochen in den Ausstellungsräumen— was war zu sehen? In der Albertina — nichts. Sie ist noch geschlossen. Aus technischen — und aus juristischen Gründen. Dafür aber um so mehr im Kunsthistorischen Museum und in der Akademie der Bildenden Künste und — bescheidener— einiges im Historischen Museum der Stadt Wien im Rathaus. Sah man hier die Werke der Meister, so waren die anderen Galerien der heutigen Kunst gewidmet: Die Secession zeigte den „Anteil der Wiener Secession an der österreichischen Kunst der Gegenwart". Das Künstlerhaus zeigte parterre „Das Wiener

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (10)

Weltschau der Kunst in Venedig Spiegel des Geistes

Seit 1895 der im Café Florian auf dem Markusplatz von Männern des geistigen venezianischen Lebens erdachte Plan einer alle zwei Jahre in Venedig abzuhaltenden Ausstellung der zeitgenössischen Kunst der Welt zum erstenmal verwirklicht wurde, besitzt die kulturell interessierte Menschheit eine Möglichkeit, in die Urgründe und Hintergründe der geistigen Situation ihrer Zeit zu blicken. „Die Kunst ist für die Geschichte der menschlichen Gemeinschaft das, was der Traum des Menschen für den Psychiater bedeutet“, schrieb René Huygbe vor etwa 15 Jahren. „Die Kunst erscheint vielen nur

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (11)

Die Welt Boeckls und die Welt Altamerikas

Wien hat eine neue kleine Galerie. In den Räumen der ehemaligen Neuen Galerie in Wien I, Grünangergasse l II, hat der Katholische Akademikerverband die Galerie S t. Stephan eingerichtet. Die Galerie steht unter der Leitung von Msgr. Otto Mauer. Sie eröffnete mit einer Herbert-Boeckl-Ausstellung und will dann der Reihe nach Kubin, Chagall, Braque und eine Schau primitiver Plastiken bringen. Die Neue Galerie ist umgezogen und wird in den Nachbarräumlichkeiten in verkleinertem Umfang ihre Ausstellungstätigkeit fortsetzen.Die erste Ausstellung der Galerie St. Stephan ist Herbert B o e c k 1

1955

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (12)

Ein Kampf, die Welt zu bewältigen

Linz, im AugustDie Kunst der Niederländer — das sind für uns die Werke der van Eycks, von Bosch, den Brueghels, Rubens, van Dyck, Frans Hals, Rembrandt, Ruisdael, Vermeer. Der letzte große Niederländer, von dessen Bedeutung wir uns eine genaue Vorstellung machen können, ist Vincent van Gogh, von dem der Expressionismus seinen Ausgang nahm. Und doch haben die Niederländer im selben Jahrhundert noch einen zweiten Künstler hervorgebracht, der an Einfluß und Bedeutung van Gogh womöglich noch übertrifft: Piet Mondrian (1872 bis 1944).“Eine Ausstellung holländischer Kunst der

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (13)

Innsbruck: Philadelphia zu Gast

Innsbruck, im September In Philadelphia feiert die Pennsylvania Academy of the Fine Arts in diesem lahr ihr 150jähriges Bestehen, ein würdiger Anlaß für diese älteste und angesehenste Kunstakademie Amerikas, mit einer Ausstellung vor die Weltöffentlichkeit zu treten. Von Anfang an war die Akademie ja Schule und Museum zugleich, und wenn nun eine repräsentative Auswahl der Werke von 25 der wichtigsten Künstler, die als Begründer, Lehrer und frühere Studenten mit ihr verbunden waren, gezeigt wird, so gewinnt der Betrachter einen ausgezeichneten Ueberblick über die Geschichte der

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (14)

Der Kunstkritiker:

Renoir sagte einmal: „Die Malerei ist ein Handwerk wie die Tischlerei.“ Das haben, in ähnlicher Form, sehr viele Künstler gesagt, und gerade die bedeutendsten. Daraus spricht nicht nur Bescheidenheit, sondern vor allem Anständigkeit. Die Malerei ist eine Kunst, die unsere Sinne anspricht, sie ist sinnlicher als die anderen Künste. Sie geht vom Material aus. Wenn Kunstkritiker sprechen, fabulieren sie meist. Wenn Maler sprechen, reden sie vom Material; von der Staffelei, von der Leinwand, vom Pinsel, von den Farben, von den Formen, wie Picasso das gemacht habe und Leonardo jenes.

1956

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (15)

Kleine Kunstgeschichte unseres Jahrhunderts

Kunstgeschichte ist Geistesgeschichte.Eine Geschichte der Malerei ist Geistesgeschichte, bezogen auf ein Handwerk: auf ein edles und großes Handwerk. Denn Kunst ist die sinnliche Gestalt des Geistes, seine Erscheinungsform im Bilde. Seine £e-staltgebung aber ist ein Handwerk. Es gibt kein Handwerk, das ohne Geist auskommen könnte.Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Eisenbahn und des Biedermeier, des bürgerlichen Wohlstandes und der Demokratisierung, des satten Liberalismus und des Industrieproletariäts, der Stillleben und des Pessimismus.Die Kunst des 19. Jahrhunderts war, soweit

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (16)

Die Avantgardisten sind müde

München, im Juli Wenn wir in Gedankenschnelle an den Stationen der Kunstgeschichte .vorüberfliegen, erkennen wir, daß jede Form einen Gesinnungsausdruck der Zeit verkörpert, daß jeder Formwandel einen Gesinnungswandel der Gesellschaft dieser Zeit spiegelt. Heute wie damal. Das erhebt die jährlich im Haus der Kunst in München veranstaltete große deutsche Kunstausstellung (trotz Quantität, in der die künstlerische Qualität des einzelnen verschüttet wird) zu einem bedeutsamen Ereignis. Es ist ein Spiegelkabinett der Zeit. Der breiten Schau von Kunstwerken,, die unsere Epoche

1957

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (17)

Neue Malerei in Österreich

Neue Malerei in Oesterreich. Von GerhardSchmidt. Verlag Brüder Rosenbaum, Wien. 180 Seiten. Mit 3 Textabbildungen, 28 Färb- und 68 Schwarzweißtafeln. Preis 18 5 S,Dieses Werk hat keine Vorläufer. Die ersten Deutungen der neuen Malerei in Oesterreich, die versucht wurden, erschienen noch mitten in der „heroischen Phase“ der modernen Kunst und tragen das Merkmal der Streitschrift und einer ersten Umschau inmitten einer noch in voller Entfaltung be- giiffenen Bewegung: das Buch „Neue Malerei in Oesterreich“ von Anton Faistauer, dessen Titel Gerhard Schmidt nun übernahm, und

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (18)

POLENS KUNST FÄHRT WESTWÄRTS

“Wie soll man die Friedensliebe, den Haß gegen den Faschismus verbildlichen, wie mit dem Pinsel zur Gründung landwirtschaftlicher Gemeinschaften aufrufen? ... O heilige Einfalt der Propagandisten und Maleri Glaubt ihr denn wirklich, der Bauer braucht nur eure gemalten Traktoren zu sehen und tritt gleich in die Produktionsgenossenschaft ein?" So schrieb Julian Przybos bereits im August vorigen Jahres in der Zeitschrift „POLEN", die außer in polnischer auch in deutscher, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache erscheint.Das war also noch, bevor Gomulkas psycho-

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (19)

DAS LAND DES „ZU FRÜH“ UND „SEHR SPÄT“

EINES IHRER SELTSAMSTEN ABENTEUERhatte die moderne Kunst in Wien.Viele von uns werden in ihrem Leben wohl jenen eigenartigen Schauer gespürt haben, der uns unerwartet und unvorbereitet überfällt, wenn wir eine neue, noch nicht gesehene Landschaft betreten, ein Tal mit einem Flußlauf darin, oder eine Kleinstadt und plötzlich wissen: dieses Tal und diesen Fluß oder diese kleine Stadt kennen wir; kennen wir so, als wären wir schon hier gewesen. Zugleich mit dem Bewußtsein, sie schon einmal gesehen, sie also gleichsam im eigenen Unterbewußtsein schon immer mit herumgetragen zu haben,

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (20)

Empfang bei der Kaiserin T’seu=Hi

In Peking traf ich Ende Oktober 1904 ein. Als k. u. k. Militärattache der russischen Armee in der Mandschurei zugeteilt, sollte ich so rasch als möglich das Hauptquartier des Generals Kuropatkin in Mukden erreichen.Alle Zufahrtswege nach der Nordmandschurei waren durch die japanischen Armeen unterbrochen. Ich hatte somit die Wüste Gobi zu durchqueren, um die transsibirische Eisenbahn zu erreichen und auf den Kriegsschauplatz zu gelangen.Es handelte sich darum, eine Karawane zu finden, um mit ihr die paar tausend Kilometer quer durch die dürre Steppe zurückzulegen, welche China von dem

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (21)

Kunst, von der Dampfwalze überfahren

Wenn man nach der gegenwärtigen Situation der Malerei fragt, wird man zunächst auf zwei einander diametral entgegengesetzte Spielarten des Nihilismus verwiesen werden. Dies nicht, weil sie die wirkliche Situation am treffendsten kennzeichnen, sondern weil sie die augenfälligsten Phänomene zeitigen. Für den heutigen Standort der bildenden Kunst sind sie nur insofern charakteristisch, als sie als Randerscheinungen helfen, seine Grenzen abzustecken.Die eine Spielart ist die des jede Gestalt und jede bewußte Gestaltung verneinenden Tachismus (der in Oesterreich etwa in Arnulf Rainer einen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (22)

Die Wandlung des Nicolas de Stael

Immer wieder muß man nach Deutschland, nach München vor allem, und in die Schweiz und seine Zentren Basel, Bern, Zürich fahren, wenn man sich über neue Tendenzen in der Malerei informieren oder auch nur große und schöne Kunstausstellungen sehen will. Was in Paris geschieht, in der großen Welt der Malerei, kommt auch nach Deutschland und in die Schweiz. Zu uns nach Oesterreich findet es keinen Weg. Wir haben oft über die Ursachen dieses traurigen Zustandes geschrieben und sind müde geworden, sie’zu wiederholen und zu klagen. Erzählen wir lieber von draußen.Indes also der

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (23)

Malende Dichter — dichtende Maler

Unsere Zeit ist feuilletonistisch gesinnt. Die Verpackung interessiert sie mehr als der Inhalt. Das Neue beschäftigt sie stärker als das Wahre, das immer neu ist.Interessiert sich unsere Zeit für Kunst? Sie interessiert sich für den Künstler. Der Schaffensprozeß ist ihr wichtiger als sein Ergebnis, das Kunstwerk. Das Persönliche des Künstlers vermag sie zu erregen, sein Werk nur selten. Als Hemingway mit dem Flugzeug über dem Nil abstürzte, wurde darüber in der Presse in einer Aufmachung und an hervorstechender Stelle berichtet, wie nie über eines seiner Bücher. Ein fast toter

1958

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (24)

BLAU-ROT-GELB

Um der Leistung eines Künstlers gerecht zu werden, bedarf es mehr, als sein Werk nach künstlerischen und ästhetischen Gesichtspunkten zu werten. Betrachtet und beurteilt man es im Zusammenhang mit der Persönlichkeit, der Umwelt, der Kulturepoche seines Schöpfers, so gibt es — über den Künstler hinaus — Aufschluß über die soziale und geistige Struktur der Zeit und über die Stellung, die der Mensch in dieser Zeit einnimmt. Das bedeutet, daß jedes Kunstwerk mehrere Bezugspunkte hat, vielschichtig ist. Diese Betrachtungsweise, die, im Gegensatz zur nur formalästhetischen oder nur

1959

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (25)

Kokoschka und die Malerei

Seit der großen Kokoschka-Ausstellung im Vorjahr im Wiener Künstlerhaus reißt die Diskussion um diesen, endlich heimgekehrten und nun auch offiziell anerkannten und gefeierten Künstler nicht mehr ab. Die Oeffentlichkeit ist bereit, sein Werk zu akzeptieren — da kritisiert die Kunstwelt Kokoschkas neue „monumentale“ Werke: seine Kraft sei dahin, er solle abtreten. Was ist davon zu halten? Snobismus? Eifersucht? Oder berechtigte Kritik? Kristian Sotriffer versuchte, sich vor den Bildern des 1886 in Pöchlarn, Niederösterreich, geborenen Meisters ein eigenes Urteil zu bilden.„Eine

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (26)

DIE ABSTRAKTEN WERDEN MÜDE

Die einstige „Ecole de Paris“ wurde von Erscheinungen wie Cezanne, van Gogh, Gauguin und Braque, Picasso, Leger und „Der Blaue Reiter“, auch noch von Kandinski und Klee bestimmt. Ihr Erbe wird von der neuen Schule, teils in Auflehnung gegen die großen Alten, weitergeführt. Ohne sich an Programme oder an die Stadt Paris zu binden, wirken Künstler aus vielen Nationen an und in der „Nouvelle Ecole". Viele leben in der Provinz, in Arles, in der Bretagne, in der Provence, und sie sind so verschieden, daß ihre Zugehörigkeit zur neuen Ecole fast nur darin besteht, daß sie durch

1960

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (27)

VON 1900 BIS 1960

In der vom Ares Council of Great Britain gemeinsam mit dem Bundesministerium für Unterricht in London veranstalteten und Anfang Mas durch Bundesminister Dr. Heinrich Drimmel eröffneten Ausstellung „Österreichische Malerei und Plastik von 1900 bis 1960“ wurden von ihrem Organisator Dr. Werner Hofmann zwei Ziele verfolgt. Das erste war, die Entwicklung der bildenden Künste in Österreich an Hand von Malerei und Bildhauerei in ihrer Eigenart und gleichzeitig in einer kontinuierlichen Tradition aufzuzeigen, und zweitens zu beweisen, daß ihre schöpferische Vitalität, besonders auch in

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (28)

Constant Permeke

Man erinnert sich nicht, in den letzten lahren in den Wiener Privatgalerien eine ähnlich bedeutende und schöne Ausstellung neuerer Malerei gesehen zu haben wie die Ausstellung der Werke von Constant Permeke, die die G a 1 e r i e W ü r t h 1 e zu den Festwochen zeigt. Gewiß sind es relativ wenige Ölbilder und nur etwa zwanzig Zeichnungen des bedeutendsten der flämischen „Expressionisten“, die hier zu sehen sind, aber aus ihnen wird sofort die Statur, j die europäische Größe dieses Malers klar. Permeke i wurde 1886 in Antwerpen geboren und starb 1952 In Jabbeke. Ein Künstler,

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (29)

PAUL GAUGUIN

Es war erst das 19. Jahrhundert, das jenen Typ und jene Vorstellung vom Künstler entstehen ließ, die ihn als Außenseiter der Gesellschaft zum Menschen der Revolte machte. In einer auf der Vernunft gegründeten Gesellschaftsordnung bilden die Künstler ein irrationales Element, das dem ruhigen Genuß der durch die bürgerliche Revolution für eine breitere Masse gesicherten Güter in dem intransigenten Gefühl ihrer Mission entgegensteht, teils weil sie sich mit den vom Bürgertum geforderten Idealen nicht identifizieren können, da diese materialistischen Inhalts sind, teils weil sie aus

1961

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (30)

Wilhelm Thöny in der Galerie Welz

Den Großen unter den modernen österreichischen Malern haftet ein Stigma an — sie sind Einzelgänger, lassen sich schwer einordnen. Und ihnen steht ein allgemeines „Kulturbewußtsein“ gegenüber, das provinzlerisch, verbürokratisiert oder intellektuell-dogmatisch, sich jedenfalls von der Schwerkraft der breiten Ströme mitreißen läßt und wenig Raum gibt, in dem das Eigentliche, das Vereinzelte und Besondere zur Geltung kommen kann.Das Werk Wilhelm Thönys hat es besonders schwer, seine Resonanz, die seiner Bedeutung zukommt, zu finden. Fs leidet in besonderer Weise unter dem

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (31)

DER BLAUE REITER

In England stirbt König Eduard VII. 1910 - ein Zeitalter geht zu Ende. (Sein Nachfolger, Georg V„ wird bis 1936 leben, und in den Trauermarsch seines Begräbnisses werden sich die Kanonensalven des Abessinischen Krieges mengen.) Aus Tibet ist der 13. Dalai-Lama vor den Chinesen geflohen, und Japan hat Korea annektiert. Der Franzose Farman legt in einer Flugmaschine 463 Kilometer in achteinhalb Stunden zurück, und Italien beschließt die Schaffung einer Luftschiffflotte. Rilke schreibt seinen „Malte Laurids Brigge“, Molnar seinen „Liliom“, den Literaturnobelpreis hat Paul Heyse

1962

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (32)

Die Sammlung Henie-Onstad

Die Ausstellung der Sammlung moderner Malerei aus dem Besitz von Sonja H e n i e - Niels O n s t a d — veranstaltet im Wiener Künstlerhaus von der Österreichischen Kulturvereinigung mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht — muß in ihrer Gesamtheit als höchst bemerkenswert, ja sensationell bezeichnet werden. Die Sensation liegt darin, daß in Wien bisher kaum eine so geschlossene und, was einzelne Künstler betrifft, ausgezeichnete Schau modemer Malerei gezeigt wurde und daß es sich dabei um eine Privatsammlung von bedeutendem Ausmaß handelt, deren Wert im einzelnen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (33)

Osterreich und die Moderne

Wenn heute das „Museum des 20. Jahrhunderts“ feierlich eröffnet wird — für Wien und für Österreich ein beinahe säkulares Ereignis — so ist es am Platz, etwas Besinnung und Selbstbesinnung zu üben. Die „Moderne Galerie“, im Jahre 1899 als Projekt vom Kunstrat einstimmig beschlossen, von Otto Wagner ursprünglich entworfen und mit in die Zukunft weisenden Richtlinien versehen, hat nun endlich in anderer Gestalt und vor allem unter gänzlich anderen Voraussetzungen Verwirklichung erfahren. Daß dies so spät geschah, ist ein beinahe tragisches Kapitel österreichischer

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (34)

EIN ERINNERUNGSBLATT

TJine Ludwig-Mestler-Gedenkausstellung wurde in der Joan-Peterson-Gallerie in der Newberry Street, dem Bostoner Kohlmarkt, eröffnet. Nicht ohne ein Gefühl tiefen Schmerzes kann ein Freund des Künstlers diese Räume betreten, dessen erster Gedanke dem in Elend und Armut zugrunde gegangenen Menschen gilt. Dennoch ist diese Ausstellung gerade ein Sieg, den der Künstler am stärksten angestrebt hat.Ludwig Mestler, der am 25. August 1891 in Wien geboren wurde, hat es sich nicht leicht gemacht. Er war von seiner Sendung als Künstler und Mensch überzeugt, sein Leben und Werk nur nach dem

1963

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (35)

Sie malen „phantastisch..

ES WIRD VIEL ÜBER DIE JUNGE GENERATION gesprochen. Über ihren Idealismus, öfter aber über ihren Nicht-Idealismus. Über ihre Ziele, Aufgaben und Wege.In der Galerie im Studententheater präsentieren sich zur Zeit die Werke der jüngsten Wiener Maler dem Publikum. Es sind Vertreter der „Wiener Schule“ und damit der „Phantastischen Malerei“.Improvisation und eine gewisse leichtfertige Fröhlichkeit machen die Ausstellung sympatisch. Der schmale, weißgetünchte Raum wurde von der österreichischen Hochschülerschaft zur Verfügung gestellt. Beleuchtungskörper und sonstiges Zubehör

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (36)

DIE BLAUE BLUME BLÜHT WEITER

Romantikei unter den Malern des 20. Jahrhunderts„Die Malerei ist die Enkelin der Natur und verwandt mit Gott,“ (Leonardo da Vinci.)T\ ie Kunst der Romantik weist mit der unserer Zeit zahlreiche Parallelen und Verbindungen auf, wie sie dem mit den geschichtlichen Entwicklungsphasen künstlerischen Schaffen nicht vertrauten Beobachter häufig entgehen. Im Grund ist die Theorie modernen Malens schon in der Romantik festgelegt und vor allem im deutschen Raum folgerichtig weiterentwickelt worden. Prüft man heute die romantischen Ideen und Thesen über das Wesen künstlerischer Tätigkeit nach,

1964

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (37)

DER STILLEBENZAUBERER

Von Georges Braque kann man nicht ein Gemälde nennen, das in spektakulärer Weise seine Kunst und sein Lebensgefühl zusammenfaßte. Ein „Guernica“ gibt es von ihm nicht. Trotzdem steht er vor unserem Auge deutlich umrissen, unverwechselbar. So jedoch, daß nicht ein Bild für alle spräche, sondern alle für eines. Braque, der am 31. August 1963 mit 81 Jahren gestorben ist, wurde zum Altmeister unserer Malerei, durch den eine Tradition bei allem Neuerertum hindurchgeht, rückt er doch schon in seiner Jugend, so revolutionär sie sich gab, nie von den Vorangegangenen ab. Das halte man

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (38)

DER MALER HERBERT BOECKL

Am 3. Juni 1894 wird Herbert Boeckl als Sohn eines Ingenieurs in Klagenfurt geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums bewirbt er sich um die Aufnahme an die Wiener Akademie der bildenden Künste, man lehnt ihn aber ab. Fasziniert von den Bauten Otto Wagners und dem revolutionären, klaren und klassischen Geiste Adolf Loos', dessen Kreis er eine Zeitlang als Privatschüler angehört, beschließt er nun, an der Technischen Hochschule das Architekturstudium zu beginnea Arbeiten aus dieser Zeit zeigen ihn als einen äußerst begabten, phantasievollen und vor allem „modern“ empfindenden

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (39)

DER PLASTIKER ALFRED HRDLICKA

Die Vorgänge rund um die österreichische Beteiligung an der diesjährigen Venediger Biennale haben einen Künstler in den Vordergrund gerückt, dessen Eigenschaft es bis jetzt gewesen war, gerade diese Art von Sensation zu vermeiden. Alfred Hrdlickas Weg von der ersten Ausstellung bis zur Nominierung für die Biennale ist relativ kurz: 1960 stellte er zum ersten Male in der Zedlitzhalle aus, vier Jahre später entsendet ihn eine offizielle Kommission, deren Kompetenzen sich als nicht ganz geklärt zeigen, zunächst mit dem Maler Leherb(auer), dann, nach dessen Zurückziehung durch den neuen

1965

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (40)

BOECKLS GRAPHISCHES WERK

Zeichnungen und Aquarelle Herbert Boeckls nehmen in seinem Oeuvre einen so bedeutenden Platz ein, daß sie gesondert betrachtet werden können. Denn auch in ihnen geschieht eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Natur, und auch in ihnen ringt der Künstler mit den Problemen von Form und Raum. Sie begleiten und kommentieren nicht nur seine Bilder, sie sind wesentliche Bestandteile seiner gesamten künstlerischen Existenz. Schon die Land-schaftszeichnungm des Jahres 1919 offenbaren die Qualitäten Boecklscher Zeichenkunst, seines Werkes überhaupt. Die Motive werden in der skelettierten

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (41)

IM GEIST DER BAUHÜTTE

Der Zugang zu den Werken Otto Beckmanns erscheint zunächst einfach, denn ihre Formen- und Farbensprache eröffnet sich unmittelbar und intensiv. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß es trennscharfer Unterscheidungen bedarf, sollihre Ortung in den Kunst- und Geistesströmungen unserer Zeit glücken. Wer ihm in seinem Atelier gegenüber dem Unteren Belvedere in Wien begegnet, findet eine Atmosphäre, wie sie — hier auch von etwas wie einem alchimistischen Hauch durchzogen — in der Bauhüttenwelt des Mittelalters geherrscht haben mag. Das besagt schon einiges über den zum Du, zur

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (42)

ANATOMIE EINER AKADEMIE

Auf der Festung Hohensalzburg wimmelt es von Touristen, die zwischen Folterkammern und Prunksälen auch alles das entdecken möchten, was nicht im Führer steht. In jeden schmalen und schmälsten Gang kriechen sie, jedem Wegweiser folgen sie, steigen unermüdlich treppauf und -ab, und je tiefer die Gewölbe, desto mehr wähnen sie sich im Mittelalter; um dann einigermaßen fassungslos eine Gruppe junger, langhaariger, bärtiger, färb- und gipsbekleckster Menschen zu finden, die fröhlich zur Gitarre singen. Moderne Ritter und Burgfräulein? Das Schild an der Mauer gibt andere Auskunft:

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (43)

Austellungen in Salzburg

Stand die Mozartstadt auch im Festspielsommer eindeutig im Zeichen der Musik, so bemühen sich doch die für die Ereignisse auf dem Gebiet der bildenden Kunst verantwortlichen Institutionen, gerade in dieser Zeit mit besonders repräsentativen und einem hohen internationalen Standard entsprechenden Ausstellungen hervorzutreten. Die Galerie Welz knüpfte sehr geschickt an die Festspiele an und zeigte eine Reihe von Plastiken, Zeichnungen und Radierungen des ihr seit dem Jahre 1935 nahestehenden Wiener Bildhauers Fritz Wotruba, von dem bekanntlich die Bühnenbilder und die Ausstattung zu den

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (44)

FALLEN DIE MEISTER VOM HIMMEL?

Es sieht so aus als lebten wir im Zeitalter der vom j Himmel gefallenen Meister. Es soll in früheren Zeiten ein Sprichwort gegeben haben, demzufolge kein Meister gelernt vom Himmel fällt, doch scheint dies für das 20. Jahrhundert keine Gültigkeit mehr zu haben — vor allem, was die Malerei betrifft. In der modernen Kunst ist es nämlich in zunehmender Weise üblich geworden, Bilder als „Erfindungen“ zu präsentieren, und der Künstler ist in immer minderer Weise damit befaßt, seine „Erfindung“ auf der Leinwand in einer dauerhaften Weise zu fixieren. So ist es meist in den

1966

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (45)

DIE ENGE UND DIE WEITE

Die Ausstellung „österreichische Malerei 1908 bis 1938” ist eine wichtige Schau. Sie ist so wichtig, daß man wünscht sie hätte schon längst — bald nach 1945 — stattgefunden und nicht in Graz, sondern in Wien. Das heißt nicht dėn Ruhm der Grazer Stadtverwaltung schmälern wollen, deren Amt für „Kultur, Sport und Fremdenverkehr” sie veranstaltet, im Gegenteil. Ihre Königsidee, vom Graizer Maler Prof. Fred Hartig stammend und von Dr. Emst Koller, dem neuen Kunstkonsulenten und Direktor der im Entstehen begriffenen Galerie der Stadt, realisiert — unsere Konfrontation mit

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Innsbrucker Ausstellungen

Anläßlich der Jugendkulturwoche hatten im Tiroler Kunstpavillon fünf junge und begabte Künstler Gelegenheit, ihre Werke zur Schau zu stellen. Der 1942 in Innsbruck geborene Peter Blaas bringt in seinen Tusche- und ölarbeiten groß gesehene Formen und Zeichen, wobei er bewußt auf die unmittelbare Wirkung abzielt und auf jede detailli- stische Durcharbeitung verzichtet. Helmut Kurz-Goldenstein (geboren 1941 in Salburg) hat mit feiner Ironie und kritischer Beobachtungen skurrile und hintergründige Radierungen und Lithographien zur Schau gestellt. Diese, auch technisch gut gearbeiteten

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WEG VOM BAROCKEN PATHOS

Übermächtig und groß steht im. der französischem Kunst des Dixhuitième am Anfang die Erscheinung Antoine Watteaus. Der arme Dachdeckerssobn aus Valenciennes in Flandern — „Vato, peintre flamand" —, der ruhelos und schwindsüchtig 1721 im Alter von siebenumddreißig Jahren starb, hatte auf seine Art den gegen Ende des 17. Jahrhunderts entflammten Kampf der „Rubenisten“ gegen die „Poussinisten“ gelöst. Flämisches Erbe und den Einfluß seines Landsmannes verband er mit dem Studium der Venezianer, besonders Veroneses, und schuf gegen 1717 mit der Serie der „Fêtes

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MONSTREN, DÄMONEN, COMICS

Die heurige Biennale führt etwa 2800 Werke vor, wozu noch die Arbeiten von vier Nationen zu zählen sind, die ihre Einsendungen verspäteten. Die Italiener dominieren wie stets. Ein Drittel des insgesamt Vorgeführten stammt von ihnen, es ist in 58 von den 68 Räumen des zentralen Pavillons untergebracht. Zwei Drittel des Gebotenen entfällt auf die übrigen 37 Nationen, von denen 24 in eigenen großen Pavillons ausstellen.Ein entscheidender Eindruck geht von zwei Retrospektiven der Italiener aus. Umberto Boccioni, einer der Begründer des Futurismus und Mitunterzeichner des berühmten Mani-

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DIE ARCHITEKTUR DES MALERS

Als Ernst Fuchs, der Maler, vor nunmehr zehn Jahren zum katholischen Glauben fand, war zunächst das, was er nun malte, Bekenntnis. In der von ihm erworbenen malerischen Ausdruckssprache, aber auch in wenigem, was er damals als eine Art Kunsttheorie begrifflich zu formulieren begann, setzte jedoch sofort ein mächtiger Prozeß der Amalgamierung ein. Die Substanz dessen, was ihm erbmäßig, und was ihm persönlich, als genuine Begabung, mitgegeben war, drängte darnach, mit dem — als Gnadengeschenk erlebten — Gut des christlichen Glaubens zu neuen organischen Einheiten zu verschmelzen. Ein

1967

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ÖFFNUNG NACH SÜDEN UND OSTEN

Für einen Rückblick auf die Entwicklung des Kunstlebens in der Steiermark der sechziger Jahre besteht eigentlich kein unmittelbarer Anlaß. Es gibt keinen abgeschlossenen Abschnitt, auf den hinzuweisen wäre. Eher könnte man an Hand mancher Tatsachen und Bestrebungen zu zeigen versuchen, welche Möglichkeiten eines zukünftigen Weges sich abzeichnen, wie nun doch die nicht nur verkehrsbedingte Situation der Ahgelegenheit und Isoliertheit durchbrochen wird durch ein geistiges Konzept, das einige Tragweite besitzt: Im „Tri-gon“-Gedanken der geistigen und menschlichen Beziehungen zwischen

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Absolon, Grund und Gotik

Die Albertina gedenkt in einer eindrucksvollen Gedächtnisausstellung des Malers und Graphikers Kurt Absolon, der 1925 geboren und 1958 bei einem Autounfall tragisch früh ums Leben kam. Die 185 Exponate, Zeichnungen und Aquarelle, beweisen die einzigartige Stellung dieser starken Begabung in der österreichischen Kunst seit 1945. In seinen frühesten Arbeiten leben Surrealismus und Expressionismus in engster Symbiose, gefiltert durch eine fast übergroße Sensibilität, einen wachen Kunstverstand und starke literarische Bezüge. Innerhalb kurzer Zeit fand Absolon zu immer größeren

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DIE VIERTE DIMENSION

Im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts ist derzeit die Ausstellung „Kinetika“ zu sehen. 107 Exponate einer neuen Kunstrichtung, die Bewegung und Lichteffekte zu den herkömmlichen Materialien hinzunimmt, dokumentieren den Einzug der „Vierten Dimension“ in die Kunst. Der folgende Artikel bietet eine Einführung in die ungewohnte Welt der kinetischen Kunst; eine spezielle Besprechung der Ausstellung erfolgt von Claus Pack.Was unsere gegenwärtige Wirklichkeit so bestürzend macht, ist der rasche Wechsel von Ereignissen. Bewegung, so scheint es, ist ihr dominierender Faktor. Die technische

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Johannes Itten

Dem Schweizer Maler und Kunstpädagogen Johannes Itten, der am 11. November 1967 sein 79. Lebens-jafor vollendet hätte, wäre er nicht im März dieses Jahres gestorben, widmet die „Galerie nächst St. Stephan“ eine vor allem entwicktangs-geschlchtlich interessante Aiusstel-ktng. Sie betont besonders die Früh-und Spätphasen des AdoM-Hölzel-Schülers, in denen er seit 1916/17 vorwiegend zu den Vertretern der gegenstandslosen „konkreten“ Malerei zu zahlen war, weniger jene Zwischenzeit in der er sich wieder — wie ersichtlich — oberflächlich dem Gegenstand zuwendete. Ittens Werk

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STERBEN ABER HEISST LEBEN

Not hat manches Menschengesicht gezeichnet, lebendige wie künstlerisch gestaltete. Verzerrt oder versteinert, stumm oder wild, resigniert, ergeben oder fragend nach dem Leid und seinem Sinn schauen sie uns an. Kein Künstler kann an diesen Gesichtern vorbeigehen, wie er nicht das Leid ignorieren kann, das wesentlich zum Leben gehört. Will er das Leben gestalten, muß er auch den Tod sehen, den Tod und das Leid.„Leben heißt Leiden, Leiden heißt Sterben, Sterben aber heißt Leben in Ewigkeit“ — Unter diesem Motto bringt das Graphische Kabinett des Stiftes Göttweig seit einigen Monaten

1968

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Von Peru bis Spanien

Eine sehenswerte, leider viel zu kleine Ausstellung ist derzeit und noch bis zum 9. April im Museum für Völkerkunde zu sehen: „3000 Jahre peruanische Malerei“, an der besonders die beiden ersten Abteilungen entzücken. Sie besitzt einen Raum mit präkolumbischen Werken aus der Zeit von etwa 1500 vor Christus bis 1350 nach Christus unter denen sich herrliche Beispiele bemalter Textilien, wie etwa der .„Mythologische Gott“, die „Skorpione, Vögel und menschliche Figur“ und der Federponcho befinden, deren zeichnerische Gestaltung und Kunst der Abstraktion die meisten heutigen Werke

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WANDLUNGEN—VERWANDLUNGEN

Im Museum für Angewandte Kunst ist noch bis zum 30. Juni die große Picasso-Retrospektive zu sehen, die auf der Referatseite der „Furche“ Nr. 18 vom 4. Mai bereits ausführlich besprochen wurde.

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VERNISSAGE MIT POLIZEIAUFGEBOT

Die Vernissage der 34. Internationalen Kunstbiennale in Venedig verlief trotz der Bedrohung durch revoltierende Kunststudenten und Maler dank eines erheblichen Aufgebotes an Polizei und Militär ungestört. Allerdings mußten eine vielversprechende Sonderschau „Suchende Wege vom Informalen zu den neuen Strukturen" und eine Sonderschau des Futurismus abgesagt werden, da sich eine genügende Sicherung dieser besonders wertvollen Stücke kaum durchführen läßt. Zahlreiche von den 68 Räumen des zentralen Pavillons, in dem vor allem die Italiener ausstellen, waren in diesen Tagen noch leer. Der Raum Kowalski Im französischen Pavillon blieb verschlossen, in die Räume Schäffer und Devasne, ebenda, konnte man .einigermaßen über Popiersperren hinweg hineinsehen, die Schweden eröffneten nicht „unter den gegenwärtigen Bedingungen . Der russische Pavillon war, wie auch in früheren Jahren, noch versperrt.

1972

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (58)

Tempi passati

Der 1912 in Hagen in Westfalen geborene Emil Schumacher gehörte um 1960 zu den bekanntesten deutschen Malern des ungegenständlichen Expressionismus. Er wurde wiederholt prämiert und seine Arbeiten in zahlreichen Galerien und Museen der ganzen Welt gezeigt und angekauft. Wenn es um den heuer Sechzigjährigen in der letzten Zelt aber eher still geworden ist, so ist das nicht nur aus der vergleichsweisen Enthaltung des Malers vom Kunstbetrieb zu verstehen, sondern auch aus der radikal verwandelten Szene, der er keinen Tribut zu zollen gewillt ist. Die Erste österreichische Spar-Casse zeigt

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (59)

Angebot an Wirklichkeit

Uber dem klassizistischen Fridericianum, einem der beiden Ausstellungsgebäude der „documenta 5“, liest man auf einem riesenhaften Transparent: „Kunst ist überflüssig.“ Kein Fragezeichen, es wird festgestellt. Anderseits steht in einer Gebrauchsanweisung für diese Ausstellung, daß sie Informationen über Aspekte des modernen Kunstgeschehens biete.

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (60)

Die Welt als Stimulans

München, von blutigem Spiel entweiht, bietet dennoch teils vorbildlich selektive, teils übersättigte Ausstellungspanoramen und als zentrales Ereignis die Ausstellung „Weltkulturen und moderne Kunst“. Bildwerke der Weltkunst, erlesen, in dieser Qualitätsspitze kaum noch zu vereinen, sind zu weltweitem Dialog versammelt, die Zündkraft der Malrauxschen Ideenwelt läßt sich erneut überprüfen. 25 Jahre nachdem sein Terminus „musee imaginaire“ erstmals die Kunstdebatte international beunruhigte, sollte man im Wien eines Josef Strzy-gowski Offenheit für den Dialog der „Stimmen der Stille“ voraussetzen. Bis 30. September kann im Haus der Kunst in Spontankontakt vor den Kunstwerken die Kraft ihrer Präsenz erprobt werden. In kühner, wahrhaft olympischer Konzeption soll eine Konfrontation außereuropäischer Kunstwerke mit der europäischen Moderne neue Denkanstöße provozieren. Spektren eines unausschöpflichen dialogischen Prozesses kann der Schauende durchwandern, von motivischem und formalem Stimulans bis zu kreativer Anverwandlung des Formengutes als autonome Antwort des Künstlers. Dialoge über Zusammenhänge der Kunst.

1973

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (61)

Rainer, Bottoli, Eisler

Auch in seiner Graphik hat Arnulf Rainer, der bemerkenswerterweise im Gespräch für eine Professur an der Akademie der bildenden Künste sein soll, nicht immer den Nihilismus der Antikunst des Dada vertreten. Das zeigen seine ersten Blätter in der Ausstellung seiner Radierungen, die in der Graphischen Sammlung Albertina in der Reihe „österreichische Graphiker der Gegenwart“ — die ein immer fragwürdigeres Programm entwickelt — zu sehen sind.Als sie — darunter das „Tabernakel“ — entstanden, hatte sich Rainer, nach seinen autodidaktischen Anfängen im Umkreis der Wiener

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (62)

Weltelite, Mittelmaß, Entdeckung

Wertstabiltät oder von Konzernen und Banken manipulierte „künstliche Preise“?, stellte Kiaus Lingens, Chef der Wiener Galerie „Basilisk“, zu Saisonbeginn die provokante Frage und wählte als Motto seiner ersten Herbstausstellung „Wer glaubt noch an den Graphik-Boom?“ Und die Angriffe, die er fürs erste — ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen — aggressiv formulierte, werden in der Wiener Kunstszene gewiß noch einige Bewegung erzeugen. Zieh er doch die Meister der Wiener Schule der Kursmanipulation (Brauer etwa durchs Plattengeschäft, Lehmden durch nicht numerierte

1974

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (63)

Filme uber Kunst und Kunstler

Für die, die es nicht wissen sollten: Asolo — ist ein italienisches Städtchen mit 6000 Einwohnern, das auf einer Landkarte kaum zu finden ist, es sei denn, man nehme gleich eine sehr genaue zur Hand. Es liegt nordwestlich von Treviso, fast bei Bas-sano, umweit von dem im Ersten Weltkrieg heiß umkämpften Monte Grappa. — Aber ganz so versteckt oder unbekannt ist Asolo nun auch wieder nicht, denn schon der englische Dichter Robert Browning hatte es im vorigen Jahrhundert auf seiner Wanderung durch Italien entdeckt, und er widmete dieser Stadt auch begeisterte Verse. Hier weilte auch einige Jahre lang die berühmte Schauspielerin Eleonora Duse, und sie ruht nun auf dem kleinen Friedhof von Asolo. Daher eine Fülle von Erinnerungen an „die“ Duse und selbstverständlich auch an Gabriele d'Annun-zio, mit dem sie viele Jahre verbunden war. Schließlich wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß auch Canova, der größte Bildhauer des Klassizismus, aus dieser Gegend, und zwar aus dem nahegelegenen Possagno, stammt.

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (64)

Von Pop bis Primitiv

Der Engländer Richard Hamilton galt als einer der Vorläufer und wesentlichen Exponenten der europäischen Pop-art. Fasziniert von der sogenannten „Großstadtkultur“ amerikanischer Prägung gehörte er zu einer Gruppe von Malern, Bildhauern und Architekten, die nach der Mitte der fünfziger Jahre in London Environments ausstellte, darunter eine Collage von Hamilton mit dem Titel „Wieso sind die Wohnungen heute eigentlich so wohnlich, so anders“, die einen Muskelprotz und eine Stripteuse in einer überladenen Konsumgesellschafts-Wohnung zeigte. Sie wurde grundlegend für verschiedene

1975

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (65)

Die Linie ist seine Sprache

„Ich bin ein Schriftsteller, der nicht schreiben kann. Icl spreche sechs Sprachen, keine davon gut. Die Linie — sagen wi die Graphologie — ist meine wirkliche Sprache“, bekannte ein mal der nun 61jährige Saul Steinberg, Weltmeister der Karikatu und Ahnherr der ganzen jüngeren Generation von Karikaturi sten, einer der meistgefragten Cartoon-Designer und Illustra toren der berühmtesten Zeitschriften: von „Bertoldo“ (heut „Candido“) in Mailand, „Harper's Bazaar“ in New York, de großen US-Magazine „Life“, „Interiors“, „The New Yorker“ „Flair“, der „Architectural Review“ oder „Graphis“ in Zürich .. Und motivierte: „Ich zeichne, weil ich mir selber etwas, das icl gesehen habe, erklären will. Zeichnen ist eine Form des Nach denkens auf dem Papier... es gibt eine unmittelbare Korre spondehz zwischen Denken und Handeln.“

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (66)

Grosz, der Anti-Militarist

Um die bildende Kunst bemüht gibt man sich in Salzburg während der Festspielzeit: Museen, Ausstellungspavillons, Privatgalerien ... Jeder hat sein Programm. Und dennoch ergibt sich in Salzburg nicht so etwas wie Kunstszene; denn die Ausstellungsprojekte, die hier verwirklicht werden, sind mit wenigen Ausnahmen lokale Anliegen, schlagen keine Brücke zur internationalen Kunstszene, geschweige .denn, daß sie als Schrittmacher Neues zeigen oder alte Kunst in neuer Sicht präsentieren und in neue Zusammenhänge rücken. Eine große Chance also, die man sich da Jahr für Jahr entgehen läßt, indem man die internationalen Ausstellungen verschläft.

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (67)

Jubilare und ein Junger

In Wien gibt es derzeit zwei äußerst sehenswerte Ausstellungen, die zwei Malern gelten, von denen der eine heuer das 75., der andere sogar das 90. Lebensjahr vollenden konnte. Im einen Fall handelt es sich um Oskar Matulla, den die Wiener Secession als eines ihrer Mitglieder durch eine große Kollektive ehrt, im anderen um Alfred Wickenburg, dem heuer bereits an Graz eine umfassende Gesamtausstellung galt und von dem nun die „Galerie Würthle“ Aquarelle und Zeichnungen aus seinem Gesamtschaffen zeigt. Seine Ausstellung umfaßt an die 70 Blätter, die einen Bogen von 60 Jahren

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (68)

Wie Gestalt sich wandelt

Zu den Ausstellungen von Oskar Matulla und Alfred Wickenburg hat sich nun die eines dritten Jubilars gesellt. Es ist jene des Malers Albert Birkle, der heuer seinen 75. Geburtstag feiert und von dem die „Galerie Herzog im Pferdestall“ am Getreidemarkt ungefähr 20 kleine und 50 große Kohlezeichnungen sowie 30 Farbblätter, darunter Entwürfe für Glasfenster, zeigt. Und Glasfenster waren es auch, die Birkle, der in den frühen dreißiger Jahren sein erstes Kirchenfenster für Herrenberg bei Stuttgart schuf, nach 1945 in Österreich bekanntmachten. Zuerst jene der Blasiuskirche in Salzburg

1977

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (69)

Wie man Ideen ausstellt

Was will „Drawing now” (Zeichnung - heute)? Ist das eine Bilanz, was sich auf diesem höchst spezialisierten, fast schon esoterischen Gebiet der Kunstübung in den letzten Jahren getan hat? Ein Versuch, vor allem rund um die Zeichnung der Amerikaner der sechziger Jahre auf dem internationalen Kunstmarkt ein Lizitationsverfahren zu eröffnen? Oder ein Versuch, einer in der modernen Kirnst phasenweise in den Hintergrund abgeschobenen Kunstsparte endlich den Nachweis zu liefern, daß sie ein autonomes Medium, ja vielleicht sogar den höchstentwickelten künstlerischen Ausdrucksbereich darstellt? Ist es ein Versuch der Orientierung, wieweit sich die Grenzen des Begriffs Zeichnung in den letzten Jahren verschoben haben, weg vom traditionellen Begriff und hin in konzeptuelle Richtungen, in denen Entwürfe, Ideenskizzen, Materialanalysen wichtig geworden sind? Daß die Zeichnung heute mehr denn je selbständiges Gestaltungsmittel, ja zum Medium für gestalterische Analyse geworden ist und deshalb heute auch in Museen und Privatsammlungen völlig neue Bedeutung gewonnen hat, beweist nun eine in jeder Hinsicht außerordentliche Ausstellung in der Wiener Albertina.

1978

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (70)

Vom alten Dada zur „Wahnkunst“

Kunstsammler und -kenner müssen schon tief Luft holen. Denn was es jetzt im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts zu bestaunen gibt, ist wirklich nur einmal im Jahrzehnt in Wien zu sehen. Die Weltstars des Surrealismus und einzelner mehr oder minder Verwandter aus den Randzonen paradieren da: Jean Arp, Bellmer, Brauner, Breton, de Chirico, Dali, Delvaux, Du-champ, Miro, Picasso, Schwitters, Tanguy... 62 Meisterwerke mit einem Versicherungswert von fast 130 Mü-lionen Schüling. Sie wurden vom International CouncU aus den Sammlungen des New Yorker Musem of Modern Art zusammengestellt und nunWien;

1980

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (71)

Der Weg in die Verbannung

Sie zogen die Konsequenz aus der Ablehnung ihres künstlerischen Schaffens, sie folgten einer Einladung oder verließen fluchtartig das Land - weil sie mußten oder gerade noch konnten: österreichische Maler und Bildhauer der Emigration und Verfolgung, Künstler, die auswanderten oder sich in ihrer Heimat zurückzogen, weil sie sich den neuen Umständen nicht anpassen wollten, weil sie, wie ihnen immer drängender klargemacht wurde, hier nichts zu suchen hatten, weil für sie einfach kein Platz mehr war.Geboren in Österreich, gestorben in Belfast, in London, in Paris, Johannesburg, New York

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (72)

Zeichen des Glaubens -Geist der Avantgarde

Anläßlich des 86. Deutschen Katholikentags in Berlin wird in den Räumen der Orangerie des Schlosses Charlottenburg eine große A usstellung gezeigt, die die religiösen Tendenzen in der Kunst der letzten hundert Jahre sichtbar machen will. Die unter dem Titel „Zeichen des Glaubens - Geist der A vant-garde” stehende Ausstellung ist noch bis 13. Juli geöffnet.Mit der Gestaltung der Ausstellung wurde Prof. Wieland Schmied beauftragt, dem es gelungen ist, zahlreiche Meisterwerke aus den besten Museen Europas und Amerikas und aus Privatbesitz zu gewinnen. Er hat auch ein Begleitbuch

1981

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (73)

Jesus als Bruder: Scandalon der Kunst

„Das Christentum, das sich nicht als Scandalon begreift, hat keine Berechtigung mehr. ‘' Mit diesem Wort von Friedrich Dürrenmatt rechtfertigt der Autor, daß eine Kunst, die sich dem Christentum stellt, ,.nicht harmlos und behübschend sein kann.“ Das gilt auch von einer Ausstellung in Linz, die über Österreich hinaus von Bedeutung sein wird.

1991

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (74)

Kosmische Kalligraphie

Vor fünfzehn J ahren ist Max Ernst gestorben, am 1. April 1976. Nicht seines Todestages, sondern seines Geburtstages am 2. April 18 91 wird in der Neuen Galerie der Stadt Linz gedacht. Dennoch ist es wichtig, sich zu erinnern, wie nahe er der Gegenwart ist, daß er nicht nur Zeitgenosse der künstlerischen Revolutionen zu Beginn des Jahrhunderts war, sondern wie ein erratischer Block in der Kunstlandschaft unserer Zeit steht.

1995

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (75)

Wie der Nachzügler die Führung übernahm

Lang, sehr lang galten die Vereinigten Staaten kulturell nicht nur als Anhängsel Europas, sie waren es in hohem Maße auch tatsächlich. Die Unabhängigkeitserklärung galt noch lange nicht für die bildende Kunst und für die Architektur.Europa seinerseits meinte, auf dieses sein Anhängsel naserümpfend herabblicken zu können. Und je reicher Amerika wurde, desto verbissener pochte Europa auf, wenigstens ein Weilchen noch, seine kulturelle Überlegenheit. Tatsächlich ist Amerika auch ein hochinteressanter Kunstkontinent. Und wir haben noch immer diesbezüglich hohen Nachholbedarf. Demiann

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (76)

Vielfalt der Aufbrüche nach der großen Flut

Ausstellungen schaffen sich ihren besonderen Ort, ihre eigene Zeit und ihren eigenen Rhythmus. Darum lassen sie sich nicht erzwingen. Ausstellungen müssen entstehen, aus Themen, Notwendigkeiten und Zufällen, schrieb ein Schweizer Museumsdirek-tor.Thema der Ausstellung im Künstlerhaus ist die europäische Kunst von 1945 bis 1965; Notwendigkeiten scheint es unterschiedliche zu geben: das Gedenkjahr 1995 zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges und das immer wieder aktuelle Nachdenken über Europa. Bleibt die Frage, ob solche Themenausstellungen nicht doch einem bestimmten Anlaß entsprechend

1996

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (77)

Ein gewaltiges Feuerwerk gestalterischer Vielfalt

Zwischen einem Sammler und seiner Sammlung besteht eine besondere Beziehung; für mich jedenfalls gleicht die Sammlung einem Organismus. Wenn es sich um eine wirklich persönliche Sammlung handelt, so ist sie vom Geist ihres Begründers geprägt und mit einer Liebe aufgebaut, die zu einer starken Leidenschaft werden kann.” Eine der ungewöhnlichsten Sammlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, der 1912 in Moskau geborene griechischstämmige George Costakis, bekennt sich in seiner Erinnerung zu dieser Leidenschaft.George Costakis, Sohn eines wohlhabenden, in der russischen Bevoluti-on

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (78)

Auf der Suche nach Regelmäßigkeiten

Jahrtausendwende steht vor der Tür. Und mehr denn je ist die zeitgenössische Kunst zwischen zwei Polen hin- und hergerissen. Sie befindet sich in einem ständigen Spannungsfeld zwischen subjektiv-expressivem Chaos und harmonisie-. render Ordnung. Künstlerisches Schaffen bedeutet seit der Moderne Zerstören von gesellschaftlich relevanten Regeln und zugleich unaufhörliches Suchen nach neuen Ordnungen und Harmonien. So lautet zumindest die These der spannenden Sommerausstellung in der Kunst. Halle.Krems mit dem Titel „Chaos, Wahnsinn - Permutationen zeitgenössischer Kunst".Als

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (79)

Der richtige Spürsinn für atypische Meisterwerke

Sie haben etwas, was nur wenige wirklich haben: einen Spürsinn für unterschätzte, große Kunstwerke. Margit und Rolf Weinberg gehören zu den bedeutendsten Schweizer Privatsammlern. Für eine Schau im Kunstforum der Bank Austria hat sich das Ehepaar kurzfristig von seiner rund 80 Werke umfassenden Kollektion getrennt.Einzelne Gemälde der Stiftung waren bisher in verschiedenen Ausstellungen in Paris, London, New York und Wien zu sehen. Die Qualität der gesamten Sammlung war aber bisher nur einer Gruppe von Fachleuten bekannt. Um so erfreulicher ist es, daß die ungewöhnlichen Meisterwerke

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (80)

Ein Säkulum an vielfältiger Kreativität

Von 27. September bis 10. November gastierte Österreich mit einer Jubiläumsschau .seiner Kunst der vergangenen hundert Jahre in . der Kunst- und Ausstellungshalle, der Rundesrepublik Deutschland in Ronn. Auf Anregung Gustav Peichls und von ihm selbst eingerichtet, wurde sein Rau aus den Jahren 1986 bis 1992 Teil der Präsentation. Seither mit glanzvollen Ausstellungen bespielt, hat sich dieses Bauwerk in der Vielfalt und Weite der Räumlichkeiten wie der unterschiedlichsten Lichtverhältnisse als herausragende Architektur erwiesen.Nun übersiedelt die Schau nach Wien und wird ab 5. Dezember

1997

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (81)

Das Chaos der Seele auf der Leinwand

Bei seinen Reisen durch Deutschland, die Schweiz und Österreich besuchte der Aufklärer Friedrich Nicolai im späten 18. Jahrhundert den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt in Preßburg. Messerschmidt hatte berühmte Porträtskulpturen der Kaiserin Maria Theresia, ihres Gatten, ihres Sohnes Joseph II. und vieler anderer wichtiger Persönlichkeiten geschaffen. Eine Professur an der Wiener Kunstakademie war ihm zugesagt. Als er sie wegen unangepaßten, eigenbrötlerischen Verhaltens nicht bekam, verließ er Wien im Groll, ging zu seinem Bruder nach Preßburg und schuf dort neben „völlig

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (82)

Die Dialektik von Vernunft und Wahnsinn

In Stein gemeißelt liegt eine männliche Figur mit geballten Fäusten gefesselt auf einer Matratze. Der Kopf ist kahlgeschoren, der Mund verzerrt, die Augen aufgerissen. Die Darstellung des Bildhauers Caius Gabriel Cibber, die sensationelle Berühmtheit erlangte, zeugt davon, wie man 1676 den „Geisteskranken” sah , vor allem aber, wie man ihn behandelte. Der Gefesselte erinnert daran, daß es erst zwei Jahrhunderte her ist, seit man den „Verrückten” von seinen Ketten befreite.Die Plastik Cibbers ist eine von zwei Skulpturen - sie symbolisieren die beiden Antipoden der Schizophrenie -

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (83)

Aktuelle Ausstellungen: Wiener Grenzüberschreitungen

Wertvolle Bilderbögen aus Japan, Einblicke in das aktuelle Kunstschaffen asiatischer Künstler, eine Werkschau über den Architekturtheoretiker Friedrich Kiesler und kulturelle Anmerkungen zumThe-ma Essen jenseits von Rezeptbuch und Kochtopf: Vier historische Ausstellungen erinnern daran, daß die Weite des Lebens und des Denkens nicht erst ein Phänomen der Gegenwart sind.Als die Bilder den Rahmen verließen: Japanische und Wiener Bilderbögen 1780 -1880Heute sind wir sie längst gewohnt, die einprägsamen Bilder, die uns etwa auf Bierdeckeln, Zündholzschachteln oder Spielbrettern

2002

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (84)

Kunst "spricht". Was hat sie zu sagen?

Die europäische Kulturzeitschrift "Lettre", die in mehreren Weltsprachen erscheint, hat für ihre letzte Nummer des Jahres (IV/2001) anerkannte (und auch weniger bekannte) KünstlerInnen eingeladen, unter dem Titel "Kunst und Schock" zum Terroranschlag des 11. September in bildnerischem Ausdruck Stellung zu nehmen. 30 solcher Blätter dieses, wie es hieß, "einmaligen und weltweit bisher einzigen Projektes" hat "Lettre" großformatig veröffentlicht. Darunter finden sich Namen wie Baldessari, Baselitz, Haacke, Immendorff, Pistoletto ...Manche dieser Werke vermögen zu berühren, einige lassen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (85)

Avantgarde international

Die künstlerischen Aufbrüche der Jahre 1910-30 in Mitteleuropa im Münchner "Haus der Kunst". vonDass die Kunst der Moderne im jungen 20. Jahrhundert nicht nur eine Kunst des Westens ist, konnte die große Schau "Europa - Europa" 1994 in Bonn eindringlich vorführen. Seither gab und gibt es zahlreiche Ausstellungen mit immer neuen Aspekten. So hat das Los Angeles County Museum of Art den "Avantgarden in Mitteleuropa 1910-1930" ein umfangreiches Projekt gewidmet, das die "kulturelle Energie und Vielfalt" einer Region mit vielen, sehr unterschiedlichen künstlerischen Zentren beleuchtet und

2003

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (86)

Farben wie Musik

Vor 100 Jahren, am 25. September 1903, wurde Mark Rothko geboren, einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts.Man erkennt seine Gemälde auf den ersten Blick: die großen, annähernd rechteckigen Flächen in den leuchtenden oder aber auch sehr dunklen Farben, in Formen, die ineinander zu greifen, übereinander zu liegen, auf etwas dahinter zu verweisen scheinen. Gemälde, die in Museen in den USA ebenso wie in Japan zu finden sind und inzwischen zu Rekordpreisen den Besitzer wechseln (zuletzt, im Mai 2003, wurde das Bild No. 9, White and Black on Wine, um 16,4 Millionen Dollar

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (87)

Metropole der Kunst

Malerei, Plastik, Grafik, Fotografie.Die Entwicklungsphase der bildenden Kunst nach dem Ende des II. Weltkriegs war nicht nur eine der spannendsten, sondern auch eine der fruchtbarsten und wesentlichsten innerhalb der Geschichte der Moderne. Paris als führende Metropole der Künste hatte gegenüber früheren Jahrzehnten nur wenig von seiner geistigen Sprengkraft, dem intellektuellen Flair und seiner bohemienhaften Atmosphäre eingebüßt und aus den Widrigkeiten des Widerstands gegen die deutschen Besatzer an geistiger Schärfe, Risikobereitschaft und Internationalität sogar noch

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (88)

Die Welt neu erfinden

Ein Gespräch mit Peter Baum über die Heroen der abstrakten Kunst in Paris.Herr Baum, wieso kommt das Lentos bei seiner ersten großen Ausstellung ausgerechnet auf Paris?Peter BAum: Das hat zwei Gründe: Einmal, dass diese Phase in den letzten Jahren internationale Bedeutung gewonnen hat. Dies schlägt sich deutlich im Ausstellungsbetrieb und Kunsthandel nieder. Vom Interesse her ist es auch eine Generationenfrage: Junge Leute wissen davon relativ wenig und haben auch vieles aus dieser Zeit nie im Original gesehen. Eine historische Ausstellung wie jetzt in Linz, die im Schwerpunkt ihres

2004

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (89)

Die Kunst und ich

Bilder, Skulpturen und Installationen eröffnen neue Blicke auf die Welt.Bildende Kunst hat seit der Kindheit mein Leben geprägt. Da ich das Glück hatte, in einer Künstlerfamilie aufzuwachsen, waren Bilder und Skulpturen wie Familienmitglieder für mich. Während andere Familien am Sonntag in die Berge wanderten, gingen wir ins Museum. Statt eine Großtante am Wochenende zu beglücken, besuchten wir das Untere Belvedere.Ich empfand dies alles andere als langweilig. Kaum konnte ich es erwarten, bis wir alle Säle durchwandert hatten, um im letzten Raum die grimassenschneidenden, lustigen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (90)

Farb-Akkorde

Wassily Kandinskys Bildkompositionen im BA-CA Kunstforum in Wien.Seit Jahrhunderten galten die Malerei und die Musik als verschwisterte Künste, unzählige allegorische Darstellungen zeigen die beiden in inniger Verbundenheit. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts machte sich ein etwas spätberufener Maler auf den Weg, um diese beiden Kunstgattungen in einer völlig neuen Synthese zusammenzuführen. Von Russland aus führte ihn sein Weg nach Deutschland, kurzzeitig wieder zurück und schließlich nach Frankreich. In malerischer Hinsicht verlässt er allerdings die klar umrissenen Trampelpfade,

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (91)

Menschenbilder

An Porträts der hauseigenen Sammlung zeigt das Museum Moderner Kunst Wien die ganze Bandbreite der Kunstentwicklung der letzten 120 Jahre.Jahrhunderte galt das "Bildnis" nach dem religiösen Bild als bedeutendste Kunstform, auch wenn sie von Theoretikern wie dem Renaissance-Biografen Giorgio Vasari weniger als andere Gattungen geschätzt wurde. Die Porträtmalerei hatte vor allem praktischen Nutzen. Schließlich war die künstlerische Wiedergabe eines Menschen bis vor nicht allzu langer Zeit die einzige Möglichkeit, an einen Nichtanwesenden zu erinnern - ihn zu repräsentieren, zu ehren oder

2006

Promis im Museum

Eine gemeinsame Ausstellung von Kunsthalle Wien und BA-CA-Kunstforum zeigt den Einzug der Superstars in die Kunstwelt.Es gehört zu den Qualitäten von Künstlern, dass sie Phänomene erkennen, die erst viel später die Massenkultur ereilen. "In Zukunft", prophezeite Andy Warhol Ende der 60er Jahre, "wird jeder für fünfzehn Minuten berühmt sein". Revolutionär war Warhols Aussage, weil sie Berühmtheit nun nicht mehr mit besonderen Talenten oder familiärer Herkunft verband und vorhersagte, dass auch Frau und Herr Jedermann bei entsprechend medialer Präsenz zu "Superstars" werden können.

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (92)

Das Konzept ist die Kunst!

Wenn die Idee ausgestellt wird, nicht das sinnlich wahrnehmbare Werk: Zu einer Ausstellung in der Generali Foundation.Die Werke der Kunst sind komplexe Gebilde. Selbst dann, wenn sie als besonders einfach anmutende Objekte daherkommen. Gerade diese oft der Banalität bezichtigten Werke ließen ein mitunter verzweifeltes Suchen nach Kriterien anheben, die klarstellen sollten, welche Werke nun tatsächlich der Kunst zuzuzählen seien und welche diese Zuschreibung nicht verdienen. Das Ergebnis lässt sich in der Zwischenzeit im Umfang einer mittelgroßen Bibliothek nachlesen.Ist das Kunst?Aber

2007

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (93)

Kunst-Investition

Das BA-CA-Kunstforum zeigt die Sammlung der Bank: eine Zusammenschau der künstlerischen Strömungen in Österreich.Banken sind im Prinzip ja dazu da, mit Geld möglichst glücklich zu agieren. Viele Leute geben ihnen in dieser Hoffnung freiwillig ihr Geld, andere borgen sich Geld aus, letztere zahlen dafür kräftig, erstere bekommen einen Aufschlag. Hauptsächlich sind Banken damit beschäftigt, diese Umschichtungen in für alle Beteiligten zufriedenstellende Abläufe zu leiten. Mit dem für die Banken erzielten Überschuss bezahlen sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bauen Filialen,

2008

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (94)

Informel innovativ

Hans Staudacher, eine "Institution" der österreichischen Maler-Szene, wird 85. In Klagenfurt ist eine große Retrospektive zu sehen.Die Retrospektive, die bis 20. Jänner 2008 im Museum moderner Kunst Klagenfurt (MMKK) zu sehen ist, erfüllt nicht nur den Anspruch eines charakteristischen, repräsentativen Überblicks über ein sehr großes, weit verzweigtes Lebenswerk, sondern fungiert auch als angemessene Hommage zum 85. Geburtstag des beliebten Künstlers am 14. Jänner.Ergänzt wird die Ausstellung durch ein informatives Katalogbuch, herausgegeben von Andrea Madesta, der Direktorin der

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (95)

Gute Jahrgänge

Nicht nur Alfred Hrdlicka wird 80: Einflussreiche Jubilare regieren Österreichs Kunst.Hans Staudacher machte den Anfang. Sein 85. Geburtstag im Jänner (siehe Furche 1, Seite 20) eröffnete eine Reihe von Jubiläen, die 2008 in ungewöhnlich großer Anzahl Geschichte und Gegenwart der bildenden Kunst in Österreich betreffen. Die zahlreichen Gedenktage - siehe Kasten - sind eine Gelegenheit, die gegenwärtige Situation der Malerei, Plastik, Objektkunst und Grafik inklusive aller anderen visuellen Erscheinungsformen zu überdenken. Zu sehen, ob die Avantgarde von gestern auch im gegenwärtigen

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (96)

Das Atmen der Farben

Die Kunsthalle München zeigt den amerikanischen Künstler Mark Rothko.Kaum ein Maler des 20. Jahrhunderts hat die Sehweise in der Kunst so grundlegend verändert wie der amerikanische Künstler Mark Rothko (1903-1970). Seine mystischen Farb-Visionen der 1950er und 60er Jahre ziehen in ihrer suggestiven Intensität nach wie vor den Betrachter in ihren Bann, auch wenn das reife Werk Rothkos mit der Zeit neue Wahrnehmungen und Deutungen erfahren hat. Die Gelegenheit zur Wieder-Begegnung mit einer ausgezeichneten Werkauswahl bietet zurzeit die Hypo-Kunsthalle in München mit der aus Rom (2007) in

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (97)

Die Auflösung der natürlichen Formen

Das BA-CA Kunstforum macht anhand herausragender Meisterwerke "Wege der abstrakten Malerei" nachvollziehbar.Als die großen Renaissancekünstler wie Leonardo, Michelangelo oder Raffael die Formen der klassischen Antike übernahmen und mit der soeben neu entwickelten Konstruktionstechnik der Zentralperspektive, von der sie zuerst annahmen, man könne damit die Welt so in die Fläche transformieren, wie sie wirklich ist, verbinden wollten, stießen sie alsbald auf Ungereimtheiten. Einmal sind die exakten Linien der Zentralperspektive in der Natur so nicht vorhanden, auch reine Luft produziert

2009

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (98)

Kein Stil, kein System, keine Richtung

Die Albertina in Wien widmet dem deutschen Maler Gerhard Richter eine Retrospektive und gibt Einblicke in die großen Werkblöcke seines vielfältigen Œuvres. Es zeigt sich, dass Richters Schaffen zwischen Fotorealismus und dezidierter Ungenauigkeit pendelt.Es ist ganz offensichtlich, Gerhard Richter ist ein Grenzgänger. Die Bilder des nicht nur monetär ständig in Spitzenpositionen auftauchenden Malers aus dem Post Wall-Europa changieren zwischen verschwimmender Fotorealistik und ungegenständlich auf Leinwand und Papier gesetzter Materialerkundung. Desgleichen erzählt seine Biografie

2022

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (99)

Schwimmer gegen den Strom – Hockney im Kunstforum

David Hockney gilt als der teuerste Künstler unserer Zeit. Das Bank Austria Kunstforum zeigt ikonografische, aber auch weniger bekannte Arbeiten.

2023

Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (100)

Gegen die Moden ihrer Zeit: Alex Katz und Pablo Picasso

Alex Katz ging konsequent seinen Weg, Pablo Picasso erfand sich ständig neu: Die Albertina zeigt in zwei Personalen Werke der eigenen Sammlung.

von

Theresa Steininger

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Robert Motherwell: Ein Aufschrei in Farbe (2024)

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